"ELEKTRIZITÄT"
Elektrische batteriebetriebene Fähre im Einsatz auf dem Rhein
- ein Artikel aus dem Jahre 1909 in der französischen Zeitung "Le génie civil" ("Das Bauingenieurwesen") -
Seit Sommer 1908 werden die beiden an den beiden Rheinufern bei Bonn einander gegenüberliegenden
Städte Godesberg und Niederdollendorf regelmäßig von einer Akkufähre (Abb. 1) angefahren,
vermutlich dem größten derzeit im Einsatz befindlichen Elektroboot seiner Art.
Trotz der hohen Kosten für Wartung und Betrieb der Batterie, die die Motoren mit Strom versorgt,
werden die Nachteile bei weitem durch die Vorteile aufgewogen.
Aufgrund der besonderen Fähigkeiten, die sich aus der elektrischen Steuerung ergeben, liefert sie offenbar
hervorragende Ergebnisse. Auch der verbrauchte Strom wird zu hervorragenden wirtschaftlichen Konditionen
vom städtischen Elektrizitätswerk Godesberg geliefert.
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Abb. 1 - Elektrische batteriebetriebene Fähre, im Einsatz auf dem Rhein, zwischen Godesberg und Niederdollendorf
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Der Rumpf (Abb. 2 und 3) ist zwischen den Loten 30 Meter lang, in der Schiffsmitte 8 Meter breit und sein durchschnittlicher
Tiefgang beträgt 0,85 m. Das Schiffsdeck liegt auf einer Höhe von 1,90 über dem Kiel und trägt eine um 40 Zentimeter erhöhte Holzplattform,
die zur Aufnahme von Passagieren und Fahrzeugen vorgesehen ist.
Um die Transportkapazität dieser Fähre, die Platz für 650 Personen bietet, zu erhöhen, wurde diese Plattform auf jeder Seite
der Beplankung um 75 Zentimeter verlängert. Der Rumpf ist der Länge nach durch vier wasserdichte Schotten in fünf Abschnitte unterteilt.
Sein Gerüst besteht aus einem Kiel und 64 Winkelpaaren mit ungleichen Schenkeln im Abstand von 300 bis 500 Millimetern.
Die wasserdichten Abschnitte der Fähre haben folgende Funktionen: der vordere dient als Sicherheitsabschnitt, der zweite
als Station für die Besatzung, der dritte enthält die Akkumulatorbatterie und zwei Seitenkorridore, der vierte die Motoren
und die elektrische Ausrüstung, schließlich bildet der letzte den Kielraum unter dem Achtersteven.
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Abb. 2 - Längsschnitt der elektrischen Fähre
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Auf der Rückseite des Decks befindet sich eine Kabine vor der Gangway, die das Deck dominiert. Diese Kabine, die den
Passagieren bei schlechtem Wetter als Unterschlupf dient, ist von einem Wandelgang umgeben, der mit einer Zeltplane abgedeckt ist. An der Gangway
sind alle Vorrichtungen zum Starten und Einstellen der Motoren installiert, mit denen der Schiffsführer alle Manöver durchführen kann.
Die mechanische Anlage an Bord besteht aus zwei Elektromotoren der Firmen Felten und Guilleaume-Lahmeyer mit acht in Reihe gewickelten
Polen, die 50 PS bei 300 Umdrehungen entwickeln und jeweils über eine Kupplung einen Propeller antreiben. Diese für eine Spannung von ca. 300 Volt
ausgelegten Motoren sind reversibel und mit Umschaltpolen ausgestattet, die es ermöglichen, die Geschwindigkeit innerhalb eines sehr weiten
Bereichs zu variieren, sowie rückwärts zu laufen, ohne Funken auf den Kohlebürsten zu erzeugen.
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Abb. 3 - Grundriss der elektrischen Fähre
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Darüber hinaus gibt es drei kleine Hilfsmotoren, die folgende Funktionen erfüllen: Zwei, die in den an die Akkumulatoren angrenzenden
Seitenfächern installiert sind (s. Abb. 5, "m"), dienen dem Betrieb der Einstiegsbrücken an den angelegten Pontons auf beiden Seiten der Plattform
und bilden im angehobenen Zustand eine Leitplanke beim Gehen. Der dritte Motor aktiviert die Abluftpumpe, ergänzt durch einen Drucklufttank,
der die Toiletten mit Wasser versorgt.
Abbildung 5 zeigt den Aufbau der beiden Gateways und ihrer Motoren. Letztere werden nur zum Anheben in Landposition verwendet, während
das Zusammenklappen durch Gegengewichte erfolgt, die auf jeder Seite in vertikalen Leitungen sehr nahe an der Beplankung angebracht sind.
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Abb. 4 - Querschnitt mit Hauptmotoren
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Abb. 5 - Querschnitt mit Batterien
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Die Zugänge sind zudem außen mit einem gleichlangen Holz von dreieckigem Querschnitt versehen, welches eine Abschrägung bildet,
sodass das Beladen mit Autos erleichtert wird.
Die Steuerungen der beiden Hauptmotoren, installiert auf der Gangway, sind in den Abbildungen 6 und 7 dargestellt.
Sie sind waagerecht und übereinander aufgehängt (s. Abb. 6 - "A" und "B"). Ihre Kontaktzylinder werden durch Ketten bewegt,
die zwischen den Ritzeln an ihren Achsen laufen, und auf Rädern (C und C') jeweils befestigt an der Achse von Hebeln (L und L'), die mit
einem Federkeil verbunden werden können.
Diese Hebel werden in die beabsichtigte Bewegungsrichtung des Schiffes manövriert, dessen Geschwindigkeit sich dann
mit zunehmender vertikaler Neigung der Hebel erhöht. Ein dritter Anlasser, der neben den vorherigen in Reichweite des Schiffsführers platziert ist, dient zur Aktivierung
der gerade erwähnten Hilfsmotoren.
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Abb. 6 - Aufriss der Hauptmotoren
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Abb. 7 - Grundriss der Hauptmotoren
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Abb. 8 - Foto eines Hauptmotors
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Die Stromversorgung erfolgt durch eine Akkumulatorenbatterie aus 160 Elementen in Ebonitwannen, die alle in Reihe geschaltet
und in Zehnerreihen in nebeneinander angeordneten Holzkästen, getrennt durch einen Inspektionsgang, in zwei Gruppen in einem großen Fach unter
der Deckplattform untergebracht sind (Abb. 5).
Dieser durch eine spezielle Luke zugängliche Abschnitt ist sorgfältig von allen anderen abgetrennt, um zu verhindern,
dass sich die hier freigesetzten Säuredämpfe ausbreiten, und ist speziell belüftet.
Die Gesamtkapazität der Batterie beträgt 335 Ampèrestunden bei einer Entladung in einer Stunde und sie liefert
Strom mit einer durchschnittlichen Spannung von 290 bis 300 Volt. Diese Batterie wird bei Stopps in Godesberg über ein flexibles Kabel
zwischen einer Steckdose an der Anlegestelle und dem Heck der Fähre aufgeladen.
Für die Beleuchtung der Fähre sorgen 28 Glühlampen, die ebenfalls von der Batterie gespeist werden.
Die Anlegestellen an beiden Rheinufern sind 46 Meter lang und 5 Meter breit und jeweils durch Fußgängerbrücken mit
dem Ufer verbunden. Die Brücken besitzen eine Breite von 8 Metern am Eingang zur Fähre und von nur 4 Metern an Land.
Abschließend noch einige Zahlen, die bei den Untersuchungen zu dieser Fähre ermittelt wurden:
Bei der Überfahrt von Godesberg nach Niederdollendorf arbeitete der Propeller der Backbordseite eine Minute und
zehn Sekunden lang, und der der Steuerbordseite für eine Gesamtdauer von zwei Minuten und dreißig Sekunden von vier Minuten.
Der Motor des ersten Propellers hatte währenddessen 145 Ampere Strom verbraucht, und der von Steuerbord nur 134 Ampere.
Während der Rückfahrt lief die Backbordmaschine zwei Minuten und zehn Sekunden lang und die Steuerbordmaschine drei
Minuten lang, die Gesamtfahrzeit betrug also fünf Minuten; Der Stromverbrauch des Backbordmotors betrug 137 Ampere und der des Steuerbordmotors
142 Ampere.
Der Anlaufstrom dieser Motoren betrug etwa 50 Ampere und die Intensität stieg bei Vollbetrieb, wenn die regelbaren
elektrischen Widerstände kurzgeschlossen wurden, auf 450 oder 160 Ampere.
Die beiden Motoren hielten während der gesamten Fahrt eine nahezu konstante Normalgeschwindigkeit von 320 Umdrehungen
pro Minute aufrecht.