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Erinnerungen an die Villa von Ammon–Rösing und ihre Bewohner

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Heimlich, still und leise verschwand im Jahre 1985 an der Hauptstraße 140 in Niederdollendorf zugunsten einer Neubebauung nicht nur unser altes Eisenbahnerheim, sondern daneben auch ein traditionsreiches Anwesen, das in Niederdollendorf den Namen “Villa von Ammon-Rösing“ trug.

Wir möchten die Erinnerung an das verlorengegangene Gebäude wiederbeleben und von einigen interessanten Fundstücken aus dem Leben der Familien von Ammon und Rösing berichten, die der Villa ehemals ihren Namen verliehen haben.

Villa von Ammon - Rösing (1)

Villa von Ammon - Rösing (2)

Villa von Ammon - Rösing (3)

Villa von Ammon - Rösing (4)

"Mir blutet das Herz, wenn ich die alten Bilder der Villa sehe!
Ich hatte als Kind dort manchen glücklichen Aufenthalt, habe die Bewohner innig geliebt […]“

- (Prof. Dr. Friedrich W. Rösing, (Blaubeuren) – in einer Email an den Kreis der Heimatfreunde vom Juni 2016) -

Clara von Ammon (1843-1931) und die Familien Delius und von Ammon

Nach der Besetzung der linksrheinischen Gebiete des Rheinlandes durch Napoleon Bonaparte am Ende des 18. Jahrhunderts verfügte die französische Regierung mit ihrem “Säkularisationsedikt“ von 1802 die Enteignung von kirchlichem Besitz und dessen Überführung in staatlichen Besitz. Ebenso wie unser ehrwürdiges  Kloster Heisterbach war auch das Kloster Maria Laach vom Abriss bedroht, wurde aber glücklicherweise erhalten, im Jahre 1815 in preußischen Staatsbesitz überführt und versteigert.

Delius-Stollen

Mundloch des Delius-Stollens

Wasserpegel Laacher See

Wasserpegel des Laacher Sees

Den Zuschlag erhielt im Jahre 1820 der Trierer Regierungspräsident Daniel Heinrich Delius, der für 24.900 Taler die Klosterbauten, den Laacher See und die zugehörigen Ländereien erwarb. Zwei der fünf Delius-Kinder heirateten Kinder des preußischen Landtagsabgeordneten Friedrich Ferdinand von Ammon, sodass die Gebäude des ehemaligen Klostergutes in der Folgezeit von den Familien Delius und von Ammon bewohnt waren.

Die beiden Familien, zu deren Zeiten die Klostergüter zu Maria Laach in weltlichem Besitz waren,  gelten heute auch als die Erbauer des sogenannten “Delius-Stollens“, der zwischen 1842 und 1845 als Erweiterung des mittelalterlichen “Fulbert-Stollens“ zum Hochwasserschutz und zur Landgewinnung im Süden des  Laacher Sees geschaffen wurde und der den Wasserspiegel des  Sees um viele Meter senkte.

Im Jahre 1861 verkauften die Familien Delius und von Ammon das Anwesen am Laacher See an den Jesuitenorden, der aber das Kloster 1872 wieder verließ. 1892 wurde es durch Benediktinermönche wiederbesiedelt und es entstand mit der heutigen Benediktinerabtei Maria Laach wieder ein Kloster.

Die Familie von Ammon erwarb danach die Villa an der heutigen Hauptstraße in Niederdollendorf, die von ihr im Jahre 1863 bezogen wurde. Eine der Bewohnerinnen des Hauses war Clara Berta Emmeline von Ammon, die zu dieser Zeit bereits mit dem Bremer Diplomaten Johannes (IV.) Rösing verlobt und ab 1864 verheiratet war. Clara von Ammon war eine Enkelin des oben genannten Daniel Heinrich Delius und eine Tochter von Friedrich Ferdinand von Ammon, der auch Bewohner der Villa war und 1874 in Niederdollendorf verstarb.

Der Hauptwohnsitz der von Ammons befand sich allerdings in Köln, Auf dem Berlich 35. Die Niederdollendorfer Villa wurde von der Familie vorzugsweise in den Sommermonaten bewohnt.

Johannes (IV.) Rösing (1833-1909) und die Familie Rösing

Hermann Rösing, der Großvater von Johannes (IV.) Rösing und ursprünglich Bremer Textilfabrikant, erweiterte im Jahre 1799 sein berufliches Spektrum, nannte sich "Geld-, Wechsel und Assekuranzmakler", wurde in der Folgezeit zu einem der einflussreichsten Finanzmakler der Hansestadt Bremen und erwarb so ein erhebliches Vermögen.

Sein Sohn Johannes (III.) Rösing, der Vater von Johannes (IV.) Rösing, war in Bremen stadtbekannt als radikaler Demokrat und Verfechter der Interessen des einfachen Volkes. Er legte sich mit der Kirche und der Bremischen Obrigkeit an und wurde deswegen auch zu Gefängnisstrafen von 6 Wochen wegen "unehrerbietiger Beschwerde" und später zu 2 Monaten wegen "Beförderung tumultuarischer Auftritte" verurteilt. Zum Haftantritt der zweiten Strafe war er eigens in einer dreitägigen Kutschfahrt aus Paris nach Bremen angereist, obwohl ihn diese Fahrt mehr als die 200 Taler Geldstrafe kostete, die er ersatzweise für die Gefängnisstrafe hätte zahlen müssen. Ein Bild der Justiz jener Zeit zeichnen die Vorwürfe der Anklage, dass "ein Mann seines Standes, ein ehrbarer Kaufmann, in ein Bierhaus gehe" und dass sein sechsjähriger Sohn in der Schule gesagt habe, dass "sein Vater am anderen Tag König von Bremen werde". In Rösings Erfahrungsbericht "Das Kriminalgericht in Bremen, vor den Richterstuhl der öffentlichen Meinung gezogen" schreibt er: "Die Aristokratie ist kalt; verzeiht nie; ebenso herzlos wie jesuitisch verfolgt sie ihren Weg [...]".

Johannes (IV.) Rösing

Johannes (IV.) Rösing

Johannes (IV.) Rösing studierte Rechtswissenschaften an verschiedenen Universitäten und ließ sich 1856 als Rechtsanwalt in Bremen nieder. Nachdem er 1861 in den diplomatischen Dienst eingetreten war, wurde er Attaché der Bremischen Gesandtschaft in Washington D.C. und diplomatischer Geschäftsträger der freien Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck. 1863 vertrat er diese drei Hansestädte auch auf der 1. Weltpostkonferenz. 1868 wurde er Generalkonsul des Norddeutschen Bundes und 1871 Generalkonsul des Deutschen Reichs in New York. 1874 wechselte er ins Bismarcksche Reichskanzleramt.

Aus der Zeit ihrer Verlobung am 4. April 1863 und ihrer Hochzeit am 3. Januar 1864, stammt auch der noch erhaltene Briefwechsel zwischen Johannes Rösing und Clara von Ammon, in dem Johannes aus seinen jeweiligen Aufenthaltsorten in Bremen, Paris und Helgoland und Clara entweder aus Köln, einem weiteren Wohnsitz der Familie von Ammon, oder aus Niederdollendorf korrespondieren.

Die von der Familie von Ammon neu bezogene Villa in Niederdollendorf kommt in den Briefen immer wieder zur Sprache.

Der Briefwechsel zwischen Clara von Ammon und Johannes Rösing

Die bereits erwähnten Briefe zwischen Clara von Ammon und Johannes Rösing aus ihrer Verlobungszeit im Jahre 1863, in denen häufig vom Umzug der Familie von Ammon vom Laacher See nach Niederdollendorf die Rede ist, wurden im Jahre 2009 von dem im Januar 2023 verstorbenen Verleger Norbert Klatt als frei zugängliches Dokument veröffentlicht, welches hier eingesehen werden kann:

BriefwechselAmmonRösing

Nachfahren

Fritz-Rösing-Platz

Gedenkstein am Fritz-Rösing-Platz im Siebengebirge

Johannes Rösing und Clara von Ammon hatten 8 Kinder - 4 Söhne und 4 Töchter. Die nachfolgende Generation bestand aus etwa 20 Enkeln und einer entsprechend noch wesentlich größeren Zahl von Urenkeln in der nächsten Generation. Einige der männlichen Nachkommen wurden in den beiden Weltkriegen bekannt als Marineoffiziere und U-Boot-Kommandanten, andere wurden Kaufleute. Die weiblichen Nachkommen waren dagegen eher im akademischen Bereich tätig.

Ein im Siebengebirge besonders bekannter Nachfahre der Familie Rösing war Ferdinand Friedrich (Fritz) Rösing, der Vorsitzende des "Verschönerung-Vereins von Niederdollendorf" - später "Verkehrs- und Verschönerungsverein Dollendorf (VVD)" -, der 1919 von Berlin nach Königswinter und bald danach in die "Villa von Ammon-Rösing" umgezogen war. An ihn erinnert heute im Siebengebirge der Fritz-Rösing-Platz mit einem Gedenkstein und einer Gedenktafel.


[ ausführlichere Informationen zu Fritz Rösing und dem Fritz-Rösing-Platz s. auch hier:
Fritz Rösing im "Virtuellen Brückenhofmuseum Oberdollendorf" (virtuellesbrueckenhofmuseum.de) ]

Sommer in Lesmona

Eine besondere Reminiszenz an die Familie Rösing stellen das Buch mit dem Titel "Sommer in Lesmona" von 1951 und eine gleichnamige TV-Serie von 1987 dar. Die männliche Hauptfigur dort, ein junger Mann mit dem Namen Percy Roesner, war in Wirklichkeit Gustav Rösing (1874-1913), ein Neffe von Johannes (IV.) Rösing.

Sommer in Lesmona - Film

Sommer in Lesmona - Buch

Sommer in Lesmona - Film

Film- und Buchtitel

Die Autorin des Buches, die unter dem Pseudonym Marga Berck diese autobiographische Liebesgeschichte schrieb, hieß im wahren Leben Magdalene Pauli, geb. Melchers (1875-1970) und war tatsächlich auch selbst eine Nachfahrin des oben erwähnten Familienpatriarchen Hermann Rösing und somit entfernt verwandt mit ihrem Geliebten Gustav Rösing.

In dem Film aus dem Jahr 1987 wird die weibliche Hauptrolle der Marga Beck dargestellt von der Schauspielerin Katja Riemann, die darin ihre erste große Fernseh-Hauptrolle spielte.

Lesmona - klingt italienisch - ist aber der Name einer Villa im Bremer Stadtteil St. Magnus. Dort ist der Schauplatz der unglücklichen Liebesgeschichte der beiden Hauptfiguren.

Der Bielefelder Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Bernd W. Seiler hat in seinem "Lesmona-Projekt" (s.u. Liste "Online-Links") und in seinem Buch "Es begann in Lesmona. Auf den Spuren einer Bremer Liebesgeschichte" alle Buch- und Filmfiguren - dabei viele Mitglieder der Großfamilie Rösing - entschlüsselt und ihre wahre Identität offengelegt.
Andreas Frohnhaus (KdHN)

Online-Links zu den Artikelinhalten

Abtei Maria Laach
Fulbert- und Deliusstollen

Daniel Heinrich Delius
Familie von Ammon
Friedrich Ferdinand von Ammon
Stammbaum von Ammon

Johannes (III.) Rösing
Johannes (IV.) Rösing
Ferdinand Friedrich (Fritz) Rösing

Briefe aus der Verlobungszeit

YouTube-Film "Sommer in Lesmona"
Magdalene Pauli
Haus Lesmona
Lesmona-Projekt von Prof. Dr. Bernd P. Seiler
Abtei Maria Laach - Wikipedia
Fulbert-Stollen - Wikipedia

Daniel Heinrich Delius - Wikipedia
Ammon (preußisches Adelsgeschlecht) - Wikipedia
Friedrich Ferdinand von Ammon - Wikipedia
Genealogisches Taschenbuch der Ritter- u. Adels-Geschlechter, 1881, S. 4-5

Johannes Rösing (Politiker, 1793) - Wikipedia
Johannes Rösing (Diplomat) - Wikipedia
Virtuelles Brückenhofmuseum Oberdollendorf

Rösing - von Ammon - Briefe (klatt-verlag.de)

YouTube-Film "Sommer in Lesmona"
Magdalene Pauli - Wikipedia
Haus Lesmona - Wikipedia
Lesmona-Projekt (uni-bielefeld.de)

Bildnachweise

[1] Mundloch des Delius-Stollens
[2] Wasserspiegel des Laacher Sees
[3] Johannes Rösing 1854
[4] Gedenkstein am Fritz-Rösing-Platz
[5] Film- und Buchtitel
Fulbert-Stollen - Wikipedia
Fulbert-Stollen - Wikipedia
Foto mit freundlicher Genehmigung der Göttinger Burschenschaft "Hannovera" vom 23.04.2016
Foto mit freundlicher Genehmigung des Virtuellen Brückenhofmuseums Oberdollendorf
Fotos aus der Online-Werbung für Film und Bücher

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