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Die Wanderungen und die Wandlung der Mennonitenfamilie Schumacher

Ein Beitrag zur Herkunft der Pfälzer Mennoniten.

Von Wilhelm Niepoth, Krefeld, Februar 1956



 Es sind vielfach Schreiben aus USA gekommen, in denen nach den Vorfahren von Peter und Georg Schumacher aus Kriegsheim in der Kurpfalz gefragt wurde, die um 1685 von dort nach Amerika auswanderten. Aber alle Nachforschungen waren vergebens. Die im GeneralIandesarchiv zu Karlsruhe beruhenden Pfälzer Mennonitenlisten (veröffentlicht von Professor Harold S. Bender in The Mennonite Quarterly Review 1940 (XII) 1. Heft) beginnen erst mit dem Jahre 1664. Sie enthalten zwar Nachrichten über die Gesuchten, aber nicht über deren Eltern und deren Herkunft. Von jeher war man der Ansicht, dass die meisten Pfälzer Mennoniten, wenn nicht alle, aus der Schweiz stammten. Professor Bender schreibt im Vorwort zu den Mennonitenverzeichnissen: „So far as is known, all the Mennonites of the Palatinate originally immigrated into that region from Switzerland after the year 1650."  [Übersetzung*: "Soweit bekannt ist, waren alle Mennoniten in der Pfalz nach dem Jahr 1650 ursprünglich aus der Schweiz eingewandert."]

 Hier konnte nur noch ein Zufallsfund helfen. Dieser trat ein, als Dr. Risler-Krefeld, beraten von Studienrat Rösen-Krefeld, die Akten des Staatsarchivs Düsseldorf nach den Mennoniten am Siebengebirge durchsuchte und seine Abschriften und Auszüge dem Verfasser zur Verfügung stellte. In diesen fand sich der Name Schumacher mehrfach, darunter auch Peter und Georg.

 Dass es in dem bergischen Amt Löwenburg (am Siebengebirge) schon im 16. Jahrhundert Täufer gab, zeigt das Konzept von Köln, in dem sich die Täufergruppen der Friesen und Hochdeutschen vereinigten. Dieses Bekenntnis unterschrieben u. a. „Jan Koch, wegen der Gemeynte in Hauffen" (=Honnef) und „Casper von Dollendorf". Als im Jahre 1569 eine Visitation im Erzbistum Köln stattfand, finden sich am Siebengebirge viele Täufer.

 Als im jülich-klevischen Erbfolgestreit Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg die Herzogtümer Jülich und Berg unter seine Herrschaft bekam und zum Katholizismus übertrat, setzten die Bedrückungen der Täufer wieder schärfer ein. In den Jahren 1623 und 1624 hatten, wie schon oft vorher, die Täufer am Siebengebirge sich bei Nacht in einem Gebüsch versammelt. Amtmann und Dechant hatten sie mit den Schützen aufgespürt und zerstreut. Einige waren gefangen genommen worden. Diese weigerten sich, die Namen der übrigen - es waren über 50 versammelt gewesen - zu nennen. So enthalten die daraufhin aufgestellten Verzeichnisse der Teilnehmer nur wenige Namen, darunter keine Schumacher. Erst in dem Täuferverzeichnis vom 25. Oktober 1638 werden u. a, genannt aus „Beide Dollendorf und Oberkassel" Arnold Reusen und Johann Schomecher. Dieser Arnold Reusen (=Rösen) ist, wie sich im einzelnen nachweisen lässt, identisch mit dem Arret (=Arnold) Schumacher, der mit Neesgen (=Agnes) Rösen verheiratet war, auf einem Spliss des Rösenhofes in Niederdollendorf wohnte, den er von seinem Schwiegervater geerbt hatte, und deshalb der Sitte der Zeit entsprechend auch Rösen genannt wurde. Er besaß in und bei Dollendorf Haus und Hof, Land, Garten und Weinberge. Noch durften die Mennoniten im Lande bleiben.

 Da kam der Sohn und Nachfolger Wolfgang Wilhelms, Philipp Wilhelm, zur Herrschaft und erließ unter dem 30. Dezember 1652 die scharfe Verordnung, dass die zur Sekte der Wiedertäufer gehörenden Landeseinwohner, wenn sie starken Handel treiben oder bedeutende Güter besitzen, das Land binnen 2 Jahren, wenn sie aber nicht vermögend sind, binnen 6 Monaten verlassen sollten. Das traf auch Arndt Schumacher, bzw. dessen Witwe. Er war schon vor 1652 gestorben.

 Schon vor Verkündigung des Erlasses war 1652 ein Verzeichnis der Wiedertäufer im Amt Löwenberg und ihrer Güter aufgestellt und der Regierung eingereicht worden (Staatsarchiv Düsseldorf. Jülich-Berg II. 255. S. 365 ff). Darin sind aufgeschrieben:

 Niederdollendorf:
  • Niesgen Reusen mit allem ihrem Besitz und mit 710 Taler kölnisch Schulden und
  • Peter Schomecher (ihr Sohn), der auf dem Schultheissengut in Hangelar wohnt und kein eigen Gut hat.
 Oberdollendorf:
  • Johann Schomecher
  • Gottert Schomecher
  • Theil Schomecher
  • Peter Schomecher, alle mit ihrem Gut und ihren Schulden.
 Anscheinend stammt Arnold Schomecher auch aus Oberdollendorf und ist durch seine Heirat nach Niederdollendorf gekommen. Die Verwandtschaft mit den Schomecher aus Oberdollendorf ist nicht geklärt. Seine Eltern sind noch unbekannt.

 Die Witwe Arnolds und ihre Kinder müssen nun das Land räumen, nachdem sie ihren Besitz am Siebengebirge verkauft haben.

 Am 15. Februar 1655 erscheinen vor Gericht und Dingstuhl Oberdollendorf: Niessen, sel. Arendten Schumachers nachgelassene Wittib und Theiss Bonn, dero Eythumb ( = Schwiegersohn), Peter und Georg, ihre grossjährigen Kinder und die Vormünder über Arendten Reussen minderjährige Kinder Arnold, Treinchen und Adelchen.
"Dollendorfer Protocoll von Contracten"
"Dollendorfer Protocoll von Contracten angefangen Anno 1655"
 -  Die Überschrift der 12-seitigen Verkaufsurkunde der Schumacher-Familie  -


[Anmerkung*:
offenbar ein Übertragungsfehler von W. Niepoth o.a.- es muss lt. Originaldokument von 1655 lauten: „[…] minderjährige Kinder Berndgen, Arnold, Freuchen (=Veronika) und Adelchen“
].


 Sie verkaufen an den kurfürstlichen Beseher Gerhard von Bonn alle ihre Güter in den Kirchspielen Ober- und Niederdollendorf und in der Hoheit Königswinter. (Staatsarchiv Düsseldorf. Bergische Gerichte. Amt Löwenburg. 4 I. S. 277 ff.). Neben der Kaufsumme von 1440 Talern ist ausbedungen, dass der Käufer die Mutter samt den 6 Kindern und die bewegliche Habe frei mit dem Schiff bis Mainz befördern soll. Hier deutet sich die Richtung auf die Pfalz hin an.

 Sind die Söhne Arnold Schumachers Peter und Georg nun wirklich die später in der Pfalz wohnenden Personen gleichen Namens?

 Als Peter 1685 nach Amerika auswandert, ist er Quäker. In Kriegsheim erschien im Jahre 1659 ein Engländer namens William Ames und warb für das Quäkertum. Es gelang ihm, acht Mennonitenfamilien zu gewinnen. Unter den in den Akten des Generallandesarchiv Karlsruhe genannten Namen derselben sind auch Georg Schumacher und Peter Schumacher. (Menn. Blätter 1911, Nr. 10 S. 74 ff.).

 Im Jahre 1679 erschienen in Kriegsheim zwei aus Holland gekommene Quäkerinnen, die ein 1670 in Amsterdam gedrucktes Werbeschreiben verbreiteten und von denen eine zum Entsetzen der Pfarrer sogar als "Prädikantin" auftrat. Diesen Traktat unterschrieben fünf Quäker, unter ihnen Peter Schumacher und Jörg (= Georg) Schumacher.

 In einem Verzeichnis vom Jahre 1664 „der in dem Oberamt Alzey befindlichen Manisten, was selbige anjetzt quartaliter für Schatzung gehen", werden Peter und Georg nicht genannt (ein Jörg Schuhmacher ist anscheinend ein anderer und nicht mit Georg Schumacher identisch). Sie sind ja Quäker und weigern sich, Schutzgeld für ihren geduldeten Aufenthalt im Lande und den Zehnten dem hohen Stift in Worms und den Ortspfarrern zu geben, machen Schwierigkeiten bei der Zahlung der Türkensteuer und tun auch ihre Hut und Wacht nicht wie andere Gemeinsleute. Als daraufhin die Obrigkeit ihnen Vieh, Wein und Früchte nahm und verkaufte und die Nachbarn sie beneideten wegen ihres reichen Besitzes, wuchs die Spannung zwischen ihnen, den Beamten der kurpfälzischen Regierung und ihren nicht quäkerischen Mitbewohnern.

 Während das Verzeichnis von 1664 die Quäker nicht aufführt, bringt das von 1685 (Pfalz. Gen. 4337. S. 69 ff.) unter Kriegsheim „Die Quäker allda" die beiden Schumacher:
  • 19. Georg Schuhmacher
  • 20. Peter Schuhmachers Wittib
 Das ist unrichtig insofern, als Georg vor 1685 schon gestorben war, Peter Schumacher aber noch lebte. Das Wort „Wittib" gehört also zu Nr. 19.

 Bis 1685 lebten Peter Schumacher und Georgs Witwe noch in Kriegsheim. Unter dem 8. Mai richteten drei Quäker, unter ihnen „Peter Schuhmacher, Witmann, in die 60 Jahr", ein Gesuch an das Amt Hochheim, zu dem Kriegsheim gehörte, das Land verlassen und sich mit ihren Haushaltungen nach Holland begeben zu dürfen. Er kam im Oktober 1685 in Pennsylvanien an (freundliche Mitteilung von Herrn Benjamin H. Schoemaker 3rd  Germantown Phila. (44) Penna.), wo er 1707 im Alter von 85 Jahren starb. Seine Schwägerin Sara Hendrichs, die Witwe seines Bruders Georg, folgte mit ihren Kindern und traf am 20. 1. 1686 in Amerika ein.

 Ihre Tochter Sara war schon 1685 mit ihrem Onkel Peter dorthin gekommen. Ein Quäker Jakob Schumacher war im Jahre 1683 mit Pastorius nach Pennsylvanien gefahren und dessen Diener geworden. Er war damals noch ledig. Dass er ausgerechnet von Mainz aus seine Fahrt antrat, lässt vermuten, dass er zu den Kriegsheimer Quäkern gehörte und vielleicht mit Peter oder Georg verwandt war. Genaueres lässt sich über ihn einstweilen nicht feststellen.

 Es ist aber der schlüssige Beweis noch nicht erbracht, dass Peter und Georg Schumacher tatsächlich Arnold Schumachers Söhne vom Siebengebirge waren. Zur Beantwortung dieser Frage dienen die im Generallandesarchiv Karlsruhe erhaltenen Pfälzer Täuferakten, wie sie von Chr. Neff ausgezogen und von Prof. Harold S. Bender in The Mennonite Quarterly Review 1940 veröffentlicht worden sind.

 1664 wohnen im Amt Alzey u.a. folgende Mennoniten, die selbst oder deren Angehörige aus dem Amt Löwenburg auswanderten und um 1655 dorthin kamen:

 Kriegsheim:
  • Oswald Schuhmacher (verschrieben für Arnold!)
  • Peter Ottges
  • Matthes Bonn
 Osthofen:
  • Peter Schuhmacher
 Wolfsheim:
  • Thomas Rohr
  • Stephan von Nieder Dollen Dorf ein Hofman
 Harxheim bei Zell:
  • Jörg Schuhmacher
 Heppenheim auf der Wiese:
  • Gerhard Schuhmacher
  • Thiel Schuhmacher

 Nach den Wiedertäuferakten im Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt halten sich 1669 in Heppenheim 11 "Monisten" auf. Darunter
  • Gerhard Schuemacher,
  • Thiel Schuemacher ("dieser ist vor 13 Jahren ins Land kommen")
  • und
  • Joh. Schuemacher.
 (Menn. Lex: II. S. 285).

 1685 leben dort:  [Anmerkung*: Das Originaldokument von W. Niepoth sagt "1665", aber dies ist offenbar ein Druckfehler (s.u.)]

 Kriegsheim:

  6. Matthias Bonn
14. Arnold Schuhmacher
16. Peter Schumachers Pflegesohn Rohr Otto (oder Peter?)

 "Die Quäker allda :"

19. Georg Schuhmacher
20. Peter Schuhmachers Wittib

 Wolfsheim:

24. Thomas Rohr
25. Johannes Schuhmacher
29. Tilman Kolb

 Osthofen:

59. Peter Schuhmacher

 Überschauen wir nun die 1664 und 1685 im Amt Alzey genannten Namen der Mennoniten und Quäker, so müssen wir freudig feststellen, dass alle oder fast alle Schumacher, die 1652 und 1655 noch in beiden Dollendorf wohnen, später hier zu finden sind.

 1. Die nunmehrigen Quäker Peter und Georgs Witwe wohnen in Kriegsheim.
Peters Pflegesohn Rohr stammt anscheinend auch aus dem Amt Löwenburg.

 2. Peter Schumacher in Osthofen, der 1664 und 1685 genannt wird, ist Mennonit und kann mit dem Quäker nicht identisch sein. Es ist der im Verzeichnis von 1652 genannte Peter in Oberdollendorf.

 3. Jörg Schumacher in Harxheim und Gerhard in Heppenheim sind vermutlich nahe Verwandte, während Thiel und Johannes in Heppenheim, der 1685 unter Wolfsheim erscheint, offenbar 1652 noch in Oberdollendorf wohnen.

 4. Arnold Schumacher ist Peters jüngerer Bruder, der 1655 noch unmündig ist.

 5. Von besonderer Beweiskraft ist Matthias Bonn in Kriegsheim. Das ist doch der Schwager Peters und Georgs, der im Verkaufsprotokoll von 1655 als Schwiegersohn ihrer Mutter Niesgen Rösen erscheint.

 Damit ist festgestellt, dass sich alle oder fast alle Schumacher aus dem Amt Löwenberg in die Pfalz gewandt haben. Aber auch andere haben diesen Weg genommen. Es erscheint sogar 1664 ein Stephan von Niederdollendorf. Auch die Rohr und der 1664 in Kriegsheim vorkommende Peter Ottges scheinen daher zu stammen. 1656 unterschreibt ein Gesuch an den Herzog von Berg "Theiss Beckers, Wiedertäufer, vorhin gewesener Unterthan Ambts Lewenberg, nunmehr in der Pfalz wohnend".

 Es kann nun nicht mehr davon geredet werden, dass alle Mennoniten der Pfalz aus der Schweiz gekommen wären. Viele stammen vom Siebengebirge, vor allem die Schumacher. Peter und Georgs Witwe weichen infolge der Bedrückungen nach USA aus, weil die Quäker gezwungen wurden, das Land zu verlassen. Aber auch die Mennoniten konnten auf die Dauer nicht in der Pfalz bleiben.

 Als im Jahre 1717 ihre Privilegien nicht erneuert wurden, setzte schon vorher begonnene Massenauswanderung der Mennoniten nach Pennsylvanien ein. Tielmann Kolb, der Mennonit in Kriegsheim (1685) war, hatte eine Tochter von Peter Schumacher dem Quäker, geheiratet. Von ihren Kindern wurden vier Söhne mennonitische Prediger in Pennsylvanien. Die Anregung zur Auswanderung dürfte von einem der Brüder, Martin, ausgegangen sein, der schon 1707 dorthin mit drei jüngeren Brüdern gezogen war (Nie Lex. II S. 599).

 Es ist ein langer und schwerer Weg, der die Mennoniten vom Siebengebirge über die Pfalz in die Vereinigten Staaten führte und sie nach bitteren Verfolgungen und Bedrückungen endlich dort zur Ruhe kommen ließ.

Quelle: “Der Mennonit” Nr.10 (1956), Frankfurt a. M., S. 27-28
* Abschrift, Anmerkungen und Hervorhebungen von Andreas Frohnhaus (KdHN)
Germantowne Crier 1957
Hier die englische Version des Artikels
- im "Germantowne Crier" von 1957 -

Zum abenteuerlichen Leben des Peter Schumacher siehe auch unseren Artikel

“1685 - Von Niederdollendorf nach Philadelphia”

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