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Der Kirchturm von St. Michael
Der Kirchturm von St. Michael, das älteste und ehrwürdigste Baudenkrnal der alten Mark Dollendorf,
mag inzwischen seinen 850-ten Geburtstag gefeiert haben (erbaut ca. 1120/30). Er ist um wenige Jahrzehnte
älter als sein Bruder am Hang oder die nunmehr ausgegrabenen Klosteranlagen auf dem Petersberg, die nach
Niederdollendorf pfarrten.
Zunächst muss an seinem Platze wohl eine kleine Fachwerkkapelle mit bescheidenem Glöcklein gestanden haben. Vielleicht schon im 3./4-ten Jahrhundert erklang "Fater unser, thu in himilom bist..". Eingedenk der hier vorauf gegangenen. heidnischen Wodansverehrung war dieses Kirchlein bereits dem Erzengel Michael geweiht. Zur Zeit der späten Romanik, als Niederdollendorf, die christliche Urzelle am Siebengebirge, in die Abhängigkeit des Stiftes Vilich kam, erbaute man unter Aufwand erheblicher Mittel und dem Zeitgeschmack entsprechend ein erstes, steinernes Gotteshaus. Turm und Choranlage besitzen wir noch. Sie bezeugen die hohe kulturelle Blüte der damaligen Zeit. Typisch für die "Vilicher Kirchen" ist eine Baukonzeption von äußerster Seltenheit. Ist der Turm üblicherweise der Westseite der Kirche vorgesetzt, rückte man ihn hier zwischen das Kirchenschiff und die Chorapsis. So reckte in feinsinniger Weise der Turmhelm dort seine kreuzgekrönte Spitze in den Himmel, wo unten eucharistische Danksagung gefeiert wird. Man bezeichnet diese Art der Anlage auch als "verkehrte Kirche". Nüchtern betrachtet liegen materielle Kompetenzgründe vor, die sich in dieser Bauweise trennen. Die Gemeinde war für Turm u. Chor, das Stift für das Kirchenschiff verantwortlich. In Niederdollendorf wurde nun das zum ursprünglichen Bau gehörige Langhaus im Jahre l784 durch eine gewaltige Hochwasser- und Eisflutkatastrophe, die am Rhein 7 Häuser weggerissen hatte, unterspült. Waren die Schrecken der Reformationswirren und des 30-jährigen Krieges auch überdauert, so musste es jetzt wegen Baufälligkeit niedergelegt werden. Sicherlich wird man sich - unter Berücksichtigung der "Vilicher" Bauweise - kein allzu falsches Bild von dieser ersten Gesamtanlage und ihrer Aussagekraft verschaffen, wenn man die wunderhübsche und unverfälscht erhaltene Kirchanlage in Muffendorf zu Rate zieht. Gewiss hatte auch unser Turm ein schlichtes Pyramidendach getragen, bevor er 1679 mit dem Dach der Kirche dem Kriege zu Opfer fiel und 10 Jahre später - notdürftig wieder hergestellt - samt dem ganzen Dörflein und der Longenburg durch sengende und mordende französische Heerbanden ein Raub der Flammen wurde. Der heutige achteckige Helm ist jedenfalls nicht als der ursprüngliche anzusehen. Nach dem Hochwasser von 1784 errichtete man anstelle des alten Schiffes einen einfachen Saalbau mit flacher Decke und abgeschrägten Ecken, dessen Stichbogen-Portalfassung mit der Jahreszahl 1788 heute als Eingang in den Turm versetzt ist, dort, wo sich früher der noch sichtbare Spitzbogen zum Altarraum auftat. Dieser Saalbau musste 1911 dem jetzigen, auf dem vormaligen Friedhofe errichteten neugotischen Schiff weichen. Bis zu seiner Renovierung 1961 zeigte der Turm im Putz der Westfassade die Höhe der beiden ihm früher vorgelagerten Schiffe an. Der am Mittelgeschoss noch vorhandene Sockel trug bis dahin eine Statue des Pfarrpatrons, die, vormals über dem Portal der alten Kirche postiert, 1961 in roher Weise beschädigt wurde. Eine markant gegliederte Ausgestaltung erfuhr der Bau des Turmes im Wesentlichen an seiner Südseite, während sich im Westen das Schiff, nördlich bis 1911, die Sakristei anschloss. Der heute leider verputzte und ockerfarben gestrichene Turm ist aus gleichmäßig behauenen, schmalen Tuffquadern errichtet. Im Erdgeschoss ist behauener Trachyt verwandt. Es zeigt ein romanisches Fenster, breite Ecklisenen mit einem Fries aus drei hochgestelzten Rundbögen. Die kleine, dem Turm angeschlossene Ostapsis ist in drei große Rundbögen auf schmalen Lisenen gegliedert, in denen sich schmale Rundbogenfenster öffnen; darüber schließt ein zierlicher Würfelfries ab. Das Innere der Turmhalle, seit 1911 seiner sakralen Bestimmung beraubt, ist nun Kriegergedächtnisstätte. Die Architektonik gibt hier noch deutliche Hinweise auf das innere Bild des ersten Langhauses. Ein gratiges Kreuzgewölbe ruht auf einfachen Eckkonsolen, es zeigt Wülste in den Schildbögen. Die Apsis hat ein dreigeteiltes Zeltgewölbe mit Wulstrippen, Wülsten an den kleinen Schildbögen und einen einfachen, runden Schlussstein. In der Nordseite ist ein kleines, spätgotisches Wandschränkchen mit Durchsteckgitter eingelassen. Eine Nische in der Südwand ist jüngeren Datums. Das schmucklose Mittelgeschoss des Turmes spricht eine eigene Sprache. Der Bau von Kirchtürmen im abendländischen Kirchbau beginnt vermutlich in fränkisch-karolingischer Zeit. Für die Alten wurde der Turm zum Zeichen der Gottesburg inmitten der Gemeinde, eine Vorstellung, die in der Folgezeit in unseren vieltürmigen Domen zu großartigster Vollendung gelangte. Sehr früh tritt dann zum Wacht- und Wehrzweck der Türme die Aufnahme der sowohl im kirchlichen wie im weltlichen Bereich zur Bedeutung gelangten Glocken hinzu. So sind auch an unserem Turm mehrfache Zweckbestimmungen gut erkennbar. Zeigt sich das Erdgeschoss seinem sakralen Charakter gemäß geschmückt, so ist der Wehrzweck im völlig geschlossenen Mittelteil sehr wohl spürbar. Die Glockenstube darüber öffnet sich dann wieder allseitig mit hohen Doppelfenstern in staffelförmiger Blende, die von schlanken Doppelsäulchen mit Knospenkapitälen ohne Kämpfer unterteilt sind. Ein schlichter Fries begrenzt das Glockengeschoss nach unten, ein Rundfries den oberen Abschluss der Mauerwerkes. Die stark im profanen Bereich eingelagerte Bedeutung des Kirchturmes und der Glocken wurde bis in unsere Zeit in der Tatsache deutlich, dass für Zustand und Erhalt des Turmes staatliche, beim Langhaus hingegen kirchliche Stellen verantwortlich zeichneten. Was der Turm, nahe dem Ufer der "Schlagader Europas" erlebte, deckt weitgehend das Dunkel der Geschichte. Wie oft man ihn seiner Glocken beraubte, um sie die brutale Sprache der Kanonen zu lehren, wer weiß es noch? Unsere vier Glocken, die kleinste, bronzene von 1927, die nächsten (Stahlguss) von 1947, trugen die Inschriften: CHRISTO REGI REGUM (die Größte) MICHAELI ARCHANGELO MARIAE EIUSQUE SPONSO + SANCTI ANTONI EREMITA MARTYRQUE SEBASTIANE O.P. SODALIBUS (die Kleinste) |
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