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Zur Ausstellung 2011 des
Kreises der Heimatfreunde Niederdollendorf e.V.

Der Eröffnungsvortrag
von Dr. Thomas P. Becker aus Bonn

am 26. August 2011

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Vortrag zur Eröffnung der Ausstellung

"Geschichte der katholischen Kirchen St. Michael Niederdollendorf“

Sehr geehrter Herr Vorsitzender Smerling, sehr geehrte Mitglieder des Kreises der Heimatfreunde Niederdollendorf, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Dr. Thomas Becker  Kirchen spielen in unserer Gesellschaft eine große Rolle. Zwar ist nur noch ein Teil der heutigen rheinischen Bevölkerung mehr oder weniger regelmäßig bei einem Gottesdienst anwesend, aber dennoch sind Kirchen als Identifikations-Symbole und als Monumente einer lange zurückliegenden Vergangenheit geschätzt und geehrt. Dabei wird man ihnen mit dieser Betrachtung gar nicht wirklich gerecht. Anders als eine Burg- oder Klosterruine ist eine Kirche nämlich etwas nahezu Lebendiges. Sie ist ein Gebäude, das sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert, das sich dem Leben anpasst, das wächst und sich verwandelt, das zum Spiegelbild seiner jeweiligen Zeit wird und doch alle vorherigen Stadien noch in sich trägt. Kaum kann man das irgendwo besser sehen als an der alten Pfarrkirche von Niederdollendorf, an deren Neubau vor genau 100 Jahren Sie heute mit dieser Ausstellung erinnern, die aber doch ihr markantes architektonisches Profil durch ihren Turm bekommt, der in seiner Basis mit dem kleinen Chor schon über 850 Jahre alt ist und dessen steil aufragendes raffiniert achteckiges Dach uns in die Zeit des Barock verweist.

 Kirchen leben also, und sie tun dies durch die Menschen, die an ihnen und mit ihnen leben. Grund genug, zurück zu blicken in die Zeit, wo dieses Leben entstanden ist. Leider ist das nicht ganz einfach, denn wenn wir an den Anfang der Kirche in Niederdollendorf zurückkehren wollen, finden wir uns im Nebel einer Geschichte wieder, von der keinerlei exakte schriftliche Quellen auf uns gekommen sind.

 Ob es in der Zeit der römischen Herrschaft, die in unserer Gegend mit Unterbrechungen bis ins 5. Jahrhundert reichte, schon christliche Bewohner im Bereich von Niederdollendorf gegeben hat, ist nicht eindeutig zu beantworten. Keinesfalls jedoch können wir für diese Zeit mit einem Gebäude rechnen, das nur annähernd einer Kirche entspricht. Die Zentren des christlichen Kultus lagen in den Städten, also in unserem Falle in Bonn, nämlich im Cassiusstift und in der Volkskirche für die Gemeindemesse im westlichen Bereich des ehemaligen römischen Kastells. Eine Änderung erfuhr diese Situation erst, als nach den Jahrhunderten der Völkerwanderung die nun das Land besiedelnden Franken den christlichen Glauben angenommen hatten.

 Wann und wie das geschah, wissen wir nicht. Aber irgendwann im Verlauf des 6. oder 7. Jahrhunderts hat einer der Herren, die über das Dorf herrschten, das Christentum angenommen und sich eine Kirche gebaut. In diesen Zusammenhang gehört auch der berühmte Dollendorfer Grabstein, der einen fränkischen Krieger und auf der Rückseite eine eventuell christliche Symbolik zeigt.

 Alle fränkischen Herren ließen nach ihrer Christianisierung in ihren Siedlungen kleine bescheidene Kirchen errichten, in denen sie einen Priester beschäftigten, der von ihnen eingestellt, besoldet und im Zweifelsfall auch  entlassen wurde. Wohlgemerkt: Nicht der Bischof ließ diese Kirchen errichten, nicht der Bischof investierte die Geistlichen an diesen Kirchen, und nicht der Bischof übte de facto die Aufsicht über diese Geistlichen aus. Dieses System, das tief in der germanischen Rechtsauffassung verwurzelt war, nannte man das Eigenkirchenrecht. Es ging davon aus, dass eine Kirche demjenigen gehörte, auf dessen Grund sie erbaut war. Das liefert uns die Erklärung dafür, warum in zwei  Orten, die so nah an einander liegen wie Ober- und Niederdollendorf, zwei Kirchen stehen, die zu von einander unabhängigen Pfarrkirchen werden sollten. Es waren ursprünglich Privatkapellen, die der lokalen Herrschaft ebenso wie den unfreien Bauern als Ort des Gottesdienstes dienten. Von diesen Bauern sammelte der Herr des Ortes jährlich den zehnten Teil ihrer Ernte ein. Ein Drittel bekam der Geistliche für seine Dienste, den Rest behielt der Herr dafür, dass er die Kirche in ihrem baulichen Zustand unterhielt und für regelmäßigen Gottesdienst sorgte.

 Pfarreien in unserem Sinne waren das jedoch nicht. Erst in der Zeit Karls des Großen wurde der sogenannte Pfarrzwang eingeführt, was bedeutete, dass nur eine bestimmte Kirche pro Gebiet über das Taufrecht verfügte. Nur an diese Kirche waren nun die Zehntabgaben für den Pfarrer abzuführen. Damit jeder wusste, zu welcher Pfarrkirche er gehörte, wurden nun zum ersten Mal Pfarrsprengel eingeteilt. Die Privatkapellen behielten ihren Kollator, d.h. denjenigen, der für die Einsetzung des Priesters und die Instandhaltung des Kirchenschiffs zuständig war und dafür Abgaben erhielt, aber sie hatten nicht den Rang und die Rechte einer Pfarrkirche.

 Die nun entstehenden Urpfarreien hatten riesige Ausmaße. Im linksrheinischen Gebiet gab es die Urpfarrei von Lessenich, die sich bis weit in den Süden hinzog, die Stadtpfarrei von Dietkirchen in Bonn und in späterer Zeit die Pfarrei von Rüngsdorf. Auf der rechten Rheinseite gab es dagegen nur eine Pfarrei, und zwar die von Vilich. Hier war schon im 7. Jahrhundert neben einem fränkischen Gutshof ein Friedhof errichtet worden, auf dem der Gutsherr im Verlauf des 8. Jahrhunderts eine Kapelle zu Ehren des hl. Cornelius und des hl. Cyprian errichten ließ. Sie – und nicht etwa das erst 978 vom Edlen Megingoz gestiftete Damenstift – erhielt um 800 herum das Taufrecht und wurde so zur Pfarrkirche. Der Pfarrsprengel umfasste außer Vilich die Orte Schwarzrheindorf, [Combahn], Beuel, Hangelar, Pützchen, Holzlar, Küdinghoven, Oberkassel – und natürlich Ober- und Niederdollendorf.

 Es liegt auf der Hand, dass bei einem so großen Sprengel und so weiten Entfernungen ein geregeltes Gottesdienstleben gar nicht möglich war. Natürlich gingen die Menschen nicht an jedem Sonn- und Feiertag in die weit entfernte Pfarrkirche, sondern feierten die Messe in ihrer eigenen Kapelle. Dass sie diese auch ehrten und für wertvoll erachteten, zeigt der Ausbau dieser Kirchen im Verlauf des Hochmittelalters. Nicht von ungefähr haben wir in Niederdollendorf mindestens seit dem 12. Jahrhundert eine steinerne Kirche, und das ist kein verhuschtes kleines Kirchlein, das sich in die Landschaft duckt, sondern eine vermutlich gut proportionierte Kirche, deren Turm stolz am Rheinufer emporragte. Dieser Turm allerdings ist von einer gewissen Besonderheit, handelt es sich dabei doch um den Typ eines sogenannten "Ostchorturmes“. Das bedeutet, dass sich der Turm nicht im Westen als Eingangsbereich zur Kirche erhebt, sondern über der Vierung aufsteigt, wodurch der Zentralpunkt des kreuzartigen Grundrisses und zugleich der dahinter liegende Chor betont werden. Gerade im 12. Jahrhundert sind viele Kirchen mit Ostchortürmen entstanden, die meisten allerdings weiter südlich, in der Pfalz, in Hessen, Baden oder Schwaben. Das uns nächste Beispiel ist die Kirche der alten Johanniter-Ordenskommende in Adenau am Nürburgring. Dass wir sowohl in Niederdollendorf als auch in Oberdollendorf Ostchoranlagen haben, stellt schon eine Besonderheit dar, die bisher nicht ausreichend erklärbar ist.

 Zum Zeitpunkt der Erbauung dieser beiden Kirchen hatte sich allerdings schon viel verändert. Aus den Eigenkirchen, die sich die Adeligen in Ober- und Niederdollendorf hatten bauen lassen, waren längst Pfarr- Kapellen geworden. Wie überall im Rheinland waren im Verlauf des Hochmittelalters die Kollationsrechte an den Kirchen und Kapellen auf Stifte oder Klöster übertragen worden. Dafür wurden die Verkäufer und ihre Familien in den Stundengebeten dieser geistlichen Einrichtungen bedacht, um sie aus dem Fegefeuer zu erlösen. Das Damenstift Vilich war so in den Besitz der Kollationsrechte aller fünf Kapellen erlangt, aus denen später die unabhängigen Pfarrkirchen Niederdollendorf, Oberdollendorf, Königswinter, Küdinghoven und Oberkassel werden sollten. Wann genau das in Niederdollendorf passiert ist, lässt sich nicht sagen. Tatsache ist, dass spätestens 1144 in einer Urkunde Kaiser Konrads III. das Kollationsrecht des Stiftes bezeugt ist. Da die Vilicher Pfarrkirche als "Mutterkirche“ bezeichnet wird, kann man annehmen, dass die Aufteilung in einzelne Pfarreien hier schon vollzogen war. Sicher ist das aber erst für das Jahr 1372 anzunehmen.

 Da das Stellenbesetzungsrecht über die Kollation beim Stift Vilich lag, hatte die Vilicher Äbtissin unmittelbaren Einfluss auf die Besetzung der Pfarrstelle. Dies war aber keine geistliche Angelegenheit, sondern ein dingliches Recht. Nicht weil Vilich eine geistliche Einrichtung war, konnte man von dort aus den Pfarrer bestimmen, sondern weil das Kollationsrecht durch Kauf oder Schenkung von den adeligen Herren von Niederdollendorf irgendwann einmal weitergegeben worden ist. Es hätte genauso gut an andere weltliche Herren verkauft werden können, nur wäre ein solcher Handel nicht dazu angetan gewesen, das Seelenheil der Verkäufer zu sichern.

 Kurz und gut: Die schöne romanische Steinkirche mit dem ungewöhnlich kleinen Chor und dem trutzigen Vierungsturm war also im Hohen Mittelalter eine Pfarrkirche geworden. Ob sie dadurch selbst zur Mutterkirche für weitere Filiationen geworden ist, wie sich immer wieder lesen lässt, ist nicht zu beweisen. Für die Rolle Niederdollendorfs als Mutterkirche für Oberdollendorf, Königswinter, Heisterbach und Oberkassel spricht allerdings, dass noch im 17. Jahrhundert die Heiligen Öle, die jährlich im Kölner Dom empfangen wurden, von hier aus an die genannten Pfarrkirchen verteilt wurden. Zudem war der Kirchhof von Niederdollendorf noch bis in die Neuzeit hinein Friedhof für die umliegenden Orte. Dass aber sogar Rüngsdorf oder Plittersdorf in den ursprünglichen Sprengel gehört haben sollen, ist wohl eher als Fabel anzusehen.

 Über die Wesensart, die Wünsche und Hoffnungen der Menschen, die im Mittelalter zur Kirche von Niederdollendorf gehörten, sind wir nicht informiert. Etwas besser wird das in der Zeit der Reformation. Hier können wir feststellen, dass die Bestrebungen nach einer Erneuerung des Glaubens und des Kirchenwesens bei den Bewohnern des rechten Rheinufers zwischen Vilich und Königswinter auf sehr viel fruchtbareren Boden gefallen ist als im linksrheinischen Gebiet. Während im linksrheinischen Kurköln der Versuch des Kölner Erzbischofs Hermann von Wied, die Reformation einzuführen, schon 1547 durch kaiserlichen Druck politisch gescheitert war, konnten sich im Gebiet des Herzogtums Berg, zu dem Niederdollendorf gehörte, Pfarrer mit neugläubigen Einstellungen halten und sich viel freier bewegen. Das gilt ganz besonders für Oberkassel. Hier waren zahlreiche Gemeindemitglieder mit den Neuerungen ihres mittlerweile offiziell verheirateten Pfarrers einverstanden, hier wurde die Kommunion unter beiderlei Gestalt ausgeteilt und hier begann eine Gemeindebildung, die sich von der katholischen Kirche loslöste. Zeitweise war es in Küdinghoven genauso.

 In Niederdollendorf war das anders. Hier wurde ebenfalls die Kommunion unter beiderlei Gestalt ausgeteilt, und es ging auch das Gerücht, dass der Pfarrer seine Haushälterin heimlich geheiratet haben solle, aber dieser Pfarrer hatte sich eben nicht - wie sein Küdinghovener Amtskollege - vom Pfarrer von Vilich öffentlich trauen lassen. Die Austeilung der Kelchkommunion stellte er auch nach zwei Jahren wieder ein. Lediglich die traditionelle sakramentale  Prozession, die jährlich von Niederdollendorf nach Oberdollendorf gezogen war, hatte er seit 1550 nicht mehr durchgeführt, weil er diese öffentliche Zurschaustellung des gewandelten Brotes in einer vergoldeten Monstranz für unangebracht hielt. Dieser Pfarrer hat also zwischen katholischer Orthodoxie und neugläubiger Reform eine mittlere Position einzuhalten versucht. Die Niederdollendorfer Gemeinde dankte es ihm nicht. Die konservativen Kirchmeister wollten die angestammte Prozession zurück, und auch die Verweigerung der Kelchkommunion scheint nur einen kleineren Teil der Gläubigen gestört zu haben.

 Diese neugläubig orientierten Dollendorfer fanden ihre Stütze an der mittlerweile etablierten evangelischen Gemeinde in Oberkassel, und wir würden über ihre Existenz wahrscheinlich gar nichts mehr wissen, wenn es nicht in der Folgezeit Streit um die Bestattung protestantischer Christen auf dem Niederdollendorfer Friedhof gegeben hätte. Die ehemaligen Tochterkirchen Königswinter, Heisterbacherrott, Oberkassel und Oberdollendorf benutzten nämlich seit alter Zeit ein bestimmtes Areal des um die Kirche gelegenen Kirchhofs als ihren Friedhof. Als nun die evangelisch gewordenen Christen ihre Toten hier auch beisetzen lassen wollten, kam es zu einem Konflikt, der gegen Ende des 17. Jahrhunderts sogar die herzogliche Regierung in Düsseldorf beschäftigte. Die Lösung lag in eigenen Friedhöfen, die alle Filialkirchen mit Ausnahme von Heisterbacherrott auch ergriffen. Dort hat man erst 1867 aufgehört, die Toten in Niederdollendorf zu bestatten.

 Die Anfechtungen des katholischen Glaubens durch die Reformation und durch die Täuferbewegung, haben die Gläubigen in Niederdollendorf wohl in ihrer Mehrheit nicht beeindruckt. Für diese Treue zum katholischen Glauben dürfte es verschiedene Gründe geben. Einer davon, und sicher ein sehr wichtiger, waren die vielen Pachthöfe von Stiften und Klöstern. Neben der Longenburg gab es da den Bohnerhof,  beides im Besitz des Bonner Cassiuststifts, den Juffernhof, der zum Stift Vilich gehörte, das Pfaffenröttchen der Abtei Heisterbach, den Brederhof und den Gereonshof des Kölner Gereonsstifts oder den Probsthof der Propstei Oberpleis, die wiederum zur Abtei Siegburg gehörte. Diese kirchlichen Höfe wurden durch Pächter bewirtschaftet, die man im Rheinland die "dicken Bauern“ nannte. Sie waren nämlich in der Regel viel wohlhabender als ihre kleinbäuerlichen Nachbarn. Diese "dicken Bauern“ nun waren die Oberschicht eines Dorfes. Und sie gerieten in Konflikt mit ihrem Pachtherren, wenn sie zum evangelischen Bekenntnis wechselten. Vielleicht liegt darin der Grund für die bemerkenswerte Stabilität des katholischen Kirchenwesens in Niederdollendorf begründet.

 Das kirchliche Leben in Niederdollendorf wurde ab dem späten 16. Jahrhundert von den zahlreichen Kriegen stark beeinträchtigt, die unsere Gegend heimsuchten. Der erste war der sogenannte Kölnische Krieg, der 1583 durch den Konfessionswechsel des Kölner Erzbischof Gebhard Truchsess ausgelöst wurde. Truchsessische Söldner griffen im September 1583 Königswinter an und schädigten dabei auch Niederdollendorf. Dem folgte etliche Jahre später der Dreißigjährige Krieg, der holländisches, spanisches, schwedisches und kaiserliches Militär in die Gegend brachte. Zu dieser Zeit wurden die Pfarrstellen von Nieder- und Oberdollendorf zusammengelegt, der Pfarrer residierte im oberen Dorf, wo es vielleicht sicherer war.

 Dass die Sorge vor plünderden Soldaten nicht unberechtigt war, sollte sich im nächsten großen Krieg zeigen, dem "Pfälzischen Erbfolgekrieg“. Bonn hatte damals eine französische Besatzung, und diese Soldaten waren es, die im Mai 1689 die Niederdollendorfer Kirche in Schutt und Asche legten. Wie es üblich war, hatte die Gemeinde Turm und Sakristei wiederherzustellen, während das Stift Vilich als Kollator für die Reparatur des Langschiffes aufkam. Damals erhielt der Turm mit dem achteckigen spitzen Dach seine heutige Gestalt. Das Langschiff war nach dem verheerenden Hochwasser von 1784, bei dem das Wasser sogar in den Kreuzgang des Bonner Münsters eindrang, nicht mehr zu gebrauchen, und so kam es 1788 zu einem ersten Neubau. Die Gestalt des Innenraumes wurde allerdings wenige Jahre später erheblich verändert, denn nachdem man drei Altäre aus der säkularisierten Klosterkirche von Heisterbach übernommen hatte, die im zierlichen Chor hinter der Vierung keinen Platz mehr hatten, zog man einfach eine Mauer, die diesen Chor vom Rest der Kirche abtrennte, und stellte die Altäre vor die platte Wand. Erst unter dem 1865 eingesetzten Pfarrer Simar wurde diese scheußliche Maßnahme rückgängig gemacht.

 Dass die Reformen der katholischen Kirche. die im 17. Jahrhundert einsetzten, in Niederdollendorf Fuß gefasst hatten, zeigt sich an der Gründung von modernen Bruderschaften. Neben der alten Antonius-Bruderschaft, die sich dem Schützendienst verschrieben hatte, taucht hier eine Skapulier-Bruderschaft auf, die 1688 in den Karmel nach Pützchen verlegt wird. Nach ihrer Verlegung etablierte sich in Niederdollendorf eine Rosenkranz-Bruderschaft, die eine ähnliche marianische Ausrichtung hat. 1672 kam noch eine Sebastianus-Bruderschaft hinzu, die heute noch als Sebastianus-Junggesellen-Bruderschaft aktiv ist. Bei ihnen allen ging es um kirchliche Belange auf der einen und um geselliges Leben auf der anderen Seite.

 Insgesamt sieht das 18. und 19. Jahrhundert ein gefestigtes katholisches Leben in einer reicher werdenden Gemeinde. Der Ort selber explodiert geradezu, zumindest was die Einwohnerzahlen angeht. Zählt man zu Beginn der Preußenzeit im Jahre 1815 bescheidene 385 Einwohner, so steigt diese Zahl ein Jahrhundert später im Jahr 1907 schon auf 1.200 Einwohner. Dies ist nicht nur in Niederdollendorf so. Überall in den Dörfern rund um Bonn und Königswinter kämpfen die Pfarrer mit der Enge in ihren viel zu kleinen Kirchen. Und überall bemüht man sich schließlich um eine Lösung, die alt und neu zu vereinen sucht und am altehrwürdigen Ort neuen Raum für die veränderten Bedürfnisse schafft. Das Ergebnis kennen Sie, es war der vor genau 100 Jahren eingeweihte Neubau.

 Kirchen haben so ihre Geschichten. Kirchen sind Geschichte. Aber zugleich sind sie Orte, die leben und die sich verändern. Allerdings unter einer Bedingung: Kirchen leben nur dann, wenn man sie auch mit Leben füllt. Und das wünsche ich Ihnen hier in Niederdollendorf ganz besonders.

Dr. Thomas P. Becker ist Historiker und Archivar. Er leitet seit 1995 das Archiv der Universität Bonn.

Mehr von und über Dr. Becker erfahren Sie unter anderen Webseiten auf seiner eigenen Internetseite.

Weitere Links zur Ausstellung 2011:

==> 3 Beiträge zur Ausstellung “Geschichte der Kirchen St. Michael Niederdollendorf”

==> Fotogalerie zur Ausstellungseröffnung

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