<<< zurück

adobereader

Dokument als PDF-Datei herunterladen

Der Name Dollendorf

  Die mundartlichen Bezeichnungen der heimischen Siedlungen bewahren meist noch heute deren ursprünglichen Namen. Nur wenige von ihnen sind einfach und machen nur eine Andeutung über ihre Lage: Honnef ist eine Siedlung am Bergquell, Wingter (Königswinter) in einem Weingarten, Heisterbach am Buchenwaldflüsschen, Kaaßel auf befestigter Höhe, Beuel auf einem flachen Hügel.

  Die zusammengesetzten Namen sind bei weitem in der Überzahl, und während das Bestimmungswort die Eigenart der Lage in sich verbirgt, kündet das Grundwort deutlich genug auch die Art der Entstehung des Ortes an.

  Die jüngsten von ihnen sind die auf rott, rath, rode endigenden. Honneferott, Heisterbacherrott, Bennert, (Benrott, Benrath) sind erst in der Salier- und Hohenstaufenzeit in den heimischen Waldbestand hineingerodet; Römlinghoven, Berghoven, Küdinghoven, Ölinghoven, Birlinghoven, Bechlinghoven sind ursprünglich einsame Höfe, um die immer mehr der ihnen dienenden hörigen Bauern sich ansiedelten, und in dem vorauf gehenden Bestandteil auf ling oder ing erkennt man unschwer den Namen des wohlhabenden angesehenen Geschlechtes, das den Hof erbaute und durch Generationen darauf gesessen hat. Römlinghoven (Rimmelenkoven) ist der Hof des von einem Rimmelo abstammenden Geschlechtes, und ähnlich ist es bei den übrigen.

  Sind der Häuser oder kleinen Gehöfte mehr als eins gewesen, so ergab ihre Zahl Namen wie Dreikhusen oder Veirhusen, Vierhusen, das dann in Veressen und anderwärts in Viersen zusammenschrumpfte. Merrese ist das entstellte Merhusen oder Marhusen und bezeichnet die Häuser am Maar oder Pfuhl Handelt es sich bei den Namen, zumal der letzten beiden Arten, um die Ansiedelungen einzelner oder doch nur weniger, so bezeugen die mit dorf zusammengesetzten Bezeichnungen die gleichzeitige planmäßige Ansiedelung einer Vielheit von Menschen.

  "Dorp" oder, wie es bei den ersten fränkischen Siedlern lautete, "torp" ist uraltes, indogermanisches Sprachgut, ist dasselbe, was die germanischen Goten thaurp und die romanischen Lateiner turba nannten, eine Vielheit, eine Schar von Menschen. Rommersdorf, Rhoendorf, Rheindorf, Stieldorf, Rauschendorf sind Orte, an denen sich von erster Stunde an eine, man möchte sagen genossenschaftlich organisierte Schar von Siedlern nieder ließ und rings um sich her so viel des Grundes und Bodens sich zu eigen machte, als sie für zweckmäßig hielt und ohne Konflikte mit der Nachbarschaft nehmen konnte.

  So ist also auch Dollendorfs Boden von Anfang an von einer Vielheit von Siedlern in Angriff genommen und behauptet worden. Was aber bedeutet dann das Wort "Dollen", das diese Dorfsiedlung genauer zu kennzeichnen bestimmt ist? Zu seiner Erklärung können wir zwei verschiedene Pfade gehen, die ungefähr zu derselben Erkenntnis führen werden; der eine geht von dem mundartlichen Namen "Dolldrp" aus, der andere von der ältesten Benennung des Dorfes in einer Urkunde Kaiser Ottos I. vom 17. Januar 966, die unter den Orten Linberge (Limperich), Ramersdorf, Breitenbach (Breitbach), Zeizendorf (Zissendorf) a. d. Sieg) auch Dullendorf nennt. Wer je der Sprache der Fährleute am Flussufer gelauscht hat, weiß, dass sie als widerlagernde Erhöhung für ihre Remen (Ruder) einen Doll in den Nachenrand einsetzen, dass das Ruder bei seiner Handhabung zwischen "Dollen" liegt. Ein Dollendorf wäre also ein zwischen zwei erhöhten Dollen liegender Ort. Steigen nicht wirklich die Ränder von Hardt und Petersberg wie zwei Dollen neben ihm auf?

  Das Wort Dullen in jener Urkunde aber geht zurück auf das althochdeutsche tulli, das ursprünglich die Röhre bedeutete, womit eine Eisenspitze an ihrem Schaft befestigt wird, dann auch jedes kanalartige Gebilde bezeichnete und zu der neuhochdeutschen Tülle wurde, deren Form wir an den Halskragen auf Bildern niederländischer Meister noch heute bewundern und auch an den Spitzen der Ohreisenmützen mittel- und niederrheinischer und bergischer Frauen in unserer Jugend selbst gesehen haben.

  Auch das mittelniederdeutsche Wort Doll bedeutet einen Kanal. Danach wäre Dullendorf der Ort, der in der Tulle, in der Dole eingebettet liegt, und die Heisterbacher Mönche des 18. Jahrhunderts, die in Protokollen des Oberdollendorfer Nachbargedings die Bedeutung des Wortes in der verhochdeutschten Umbildung Oberdahlendorf zu veranschaulichen gedachten, haben trotz des sprachgeschichtlichen Irrtums keinen allzu großen Fehler gemacht: das Dorf in der Tulle oder in der Dole, in dem Kanal, den der aus dem Schlüsselborn sommers und winters in gleicher Wasserfülle quellende Bach sich ausgenagt hat. In der Tülle aber liegt nur Oberdollendorf, und wenn die Lage es ist, die der Grund für die Benennung wurde, so ist Oberdollendorf die fränkische Ursiedlung gewesen und ist älter als Niederdollendorf, wenn auch die kirchliche Entwicklung, wie später noch zu zeigen ist, den umgekehrten Weg ging und Niederdollendorf zur älteren Pfarre werden ließ.

  Cäsarius von Heisterbach hat uns in seinen lateinisch geschriebenen Wundergeschichten auch die mittelhochdeutsche Form des Namens: Dollindorp, aufbewahrt. Man braucht keinen anderen Beweis, um den Verlust von klangvollen Vokalen im Werdegang unserer Sprache aufzuzeigen, als dass man die mundartlichen Formen dieses Dorfnamens Dullandorp oder Tullentorp, Dollindorp, Dolldrp nebeneinanderstellt. Erst im Jahre 1144 tritt uns in einer Urkunde König Konrads III. die Unterscheidung zwischen Ober- und Niederdollendorf entgegen, doch ist sie offenbar viel früher notwendig geworden, spätestens aber um die Zeit, als Niederdollendorf zuerst von beiden eine Kapelle sein eigen nannte.

aus: Dr. Ferdinand Schmitz: "Die Mark Dollendorf"

<<< zurück